Wessel, Willi (Heinrich)

Willi Wessel 1985, bei der Demonstration gegen den NPD-Parteitag in Neustadt. Foto: Archiv Karl Fücks.

von Hans-Jürgen Hemmerling

Willi (Heinrich) Wessel, am 26. Februar 1896 in Bremen geboren und seit 1920 in Neustadt wohnhaft, war Buchdrucker bei der Pfälzischen Verlagsanstalt. Er gehörte dem Monistenbund und später der Freireligiösen Gemeinde an. Er war Mitglied bei den Naturfreunden Neustadt, von 1923 bis 1927 – also auch bei Grundsteinlegung und Richtfest des örtlichen Naturfreundehauses – deren Erster Obmann und dann bis etwa 1950 Zweiter Obmann. Als KPD-Mitglied engagierte er sich u. a. für den Volksentscheid zur Fürstenenteignung und wider den Bau der Panzerkreuzer. Zwischen dem 4. und dem 6. März 1933 und vom 10. März bis zum 22. April 1933 war er im Amtsgerichtsgefängnis Neustadt und dazwischen ab 15. März 1933 vier Wochen im frühen Konzentrationslager Neustadt in „Schutzhaft“ eingesperrt. Danach musste er immer wieder Hausdurchsuchungen, Verhöre und tageweise auch erneute „Schutzhaft“ über sich ergehen lassen. Willi Wessel kann genauso wie das Ehepaar Käthe und Ludwig Brunner, Fritz Ciriaci, Emilie Karl, Hans Reichert und Hans Schreiber einer kleinen kommunistischen Widerstandsgruppe zugerechnet werden, die heimlich Flugschriften und eine Zeitung unter dem Titel „Neustadter Zeitspiegel“ druckte und in der Stadt verteilte. Wessel war einer der Artikelschreiber. Auch an anderen Aktionen gegen das NS-Regime war Wessel beteiligt, z. B. an der Entfernung eines überdimensionalen Hakenkreuzes im Steinbruch auf der Grenze von Haardt und Gimmeldingen. Doch als sich 1935 Hausdurchsuchungen und Gestapoverhöre häuften, drohte der Gruppe die Entlarvung. Sie stellte ihre illegale Tätigkeit ein. Nach 1945 war Willi Wessel neben seiner Tätigkeit bei den Naturfreunden vor allem als Gewerkschafter und Betriebsrat tätig. Er war Vorsitzender der Fachgruppe „Graphisches Gewerbe“ im FDGB (später DGB), aus der die IG Druck und Papier hervorging. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben organisierte er noch bis ins hohe Alter Veranstaltungen seiner Gewerkschaft. Nach 1945 hatte er keine Parteifunktionen mehr inne. 1974 kandierte er auf der Liste der DKP für die Stadtratswahl als Parteiloser. Er starb am 29. Januar 1989 in Neustadt.

Quellen

Zeitungsberichte des Stadt- und Dorfanzeigers zum Richtfest vom 1. August 1926 und zur Einweihung des Naturfreundehauses am 1./2. Juni 1929.

Interne Dokumente der Naturfreunde Neustadt.

Willi Wessel, Interview 1984, durchgeführt von Karl Fücks (zugänglich über Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt).

Amtsgerichtsgefängnis Neustadt, Gefangenenbuch B, Landesarchiv Speyer J89 1.

Literatur

Hans Denig, Die Blaue Blume oder zwischen Rot und Grün. 100 Jahre Touristenverein „Die Naturfreunde“, 85 Jahre Naturfreunde Rheinland-Pfalz. Ludwigshafen a. Rh. 1995. Nicht durchgehend akribisch recherchierte Festschrift.

Gerhard Wunder, Die Sozialdemokratie in Neustadt an der Weinstraße seit 1832. Neustadt a. d. W. 1985. Chronologisch und ereignisbezogen angelegte Monografie, die in instruktiver Weise auch die NS-Zeit behandelt, freilich teilweise als veraltet angesehen werden muss.

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